Predigt: Psalm
98, 1
Die Gnade unseres Herrn
Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit uns allen. Amen.
Liebe Gemeinde!
„Kantate“ heißt der heutige, vierte Sonntag nach Ostern. „Singet“ – heißt es im Psalm 98, aus dem diese Einladung kommt.
Es ist natürlich ein komisches, unangenehmes Gefühl, dass
ausgerechnet heute, wo wir wieder Gottesdienst feiern können, das Singen so
nicht möglich ist. Warum? Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass der
Mindestabstand, der jetzt 1,5/2 Meter ist, beim Singen mindestens 5 Meter sein
soll, weil die Aerosole beim Singen mit viel mehr Kraft ausgestoßen werden.
D.h. wir dürften in der Kirche dann nur auf Abstand von mindestens 5 Metern
voneinander sitzen.
Aber lassen Sie uns über das Singen nachdenken, über das
Singen, von dem auch der Psalm spricht: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn
er tut Wunder!“
Warum überhaupt singen?
Es gibt mehrere Gründe:
– Das Singen gehört zum Menschsein dazu. Es ist die Art,
Gefühle auszudrücken, und nicht unbedingt nur fröhliche Gefühle. Es ist eine
Körpersprache, die besonders ankommt, die besonders gehört und verstanden wird.
– Das Singen stärkt die Gemeinschaft. Wenn viele mit
einstimmen, spürt man eine neue Kraft. Nicht umsonst gab es Kriegsmärsche. Die
sollten den Soldaten Mut machen, in den Kampf zu ziehen. Doch viel wichtiger
ist, dass Singen die friedliche Gemeinschaft stärkt. Es gibt viele schöne
Lieder, die die Menschen dazu bewegen, sich zu versöhnen, zu umarmen. Und wenn
wir bei einer Trauerfeier gemeinsam singen, spüre ich persönlich, dass in dem
Singen das Mitgefühl mit den Angehörigen, der Beistand, das Trösten besonders
deutlich werden.
– Das Singen ist auch gesund, haben auch die Wissenschaftler
rausgefunden. Das Singen soll unter anderem das Immunsystem unseres Körpers
aktivieren. Ich denke, in der jetzigen Corona-Zeit ist das nicht unwichtig,
dass unsere Abwehrkräfte gestärkt werden.
Es gibt also viele gute Gründe, zu singen, auch zusammen zu
singen. Bei Freude und Leid, in guten und in schweren Tagen – es stärkt, es
tröstet, es hilft, es schützt, es ermutigt.
Aber in dem Psalm geht es um noch eine Eigenschaft vom
Singen. Es geht ja um das Singen eines neuen Liedes für Gott. Ein neues Lied
soll dem Herrn gesungen werden. Wenn ich daran zurück denke, wie wir im
Gottesdienst ein noch unbekanntes (oder wenig bekanntes) Lied singen, dann
glaube ich: Gott freut sich viel mehr, wenn wir ein gut bekanntes Lied singen.
Aber im Ernst: Im Psalm geht es nicht um ein unbekanntes Lied. Die genaue
Übersetzung für neues Lied aus dem Hebräischen besagt: „Das ist ein Lied, das
aus einer Gott schauenden Begeisterung kommt“.
Es ist also viel mehr als ein Lied aus dem Gesangbuch mit
einem bestimmten Text und einer Melodie: Es ist eher ein Bekenntnis für Gott
als königlichen Richter, es ist ein Erkennen seiner Gerechtigkeit, seiner Weisheit,
seiner Zugewandtheit zu seiner Schöpfung, zu seinem Volk, zu uns Menschen.
Dieses neue Lied ist Ausdruck des Glaubens. So soll der Glaube an Gott sein: Es
soll aus dem Herzen kommen wie ein gefühlvolles Lied, immer wieder neu.
Die Jahreslosung lautet: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“
– Aussage eines Menschen, der sich in der Situation der Verzweiflung zu Jesus
bekennt. Das war kein fröhliches Singen, es war eher ein Schrei der Seele, ein
echtes Bekenntnis vom Herzen – Jesus half dem Menschen und heilte seinen Sohn. Vielleicht
kann auch so ein Schrei der Seele ein neues Lied für Gott sein (es heißt ja im Psalm nicht, dass es ein
fröhliches Lied sein soll). Auch in den Psalmen der Bibel (Psalm heiß ja übersetzt: „Lied“) gibt
es nicht nur fröhliche Passagen, es gibt Klagen, es gibt Hadern, es gibt
Zweifeln und Hilfeschreie – alles, was das Herz des Psalmbeters jeweils
bewegte.
Glaube bedeutet, Gott an all dem teilhaben zu lassen, was
einen bewegt, erfreut oder belastet. Ganz ehrlich, aufrichtig ohne falsch. Wir
brauchen ja Gott sowieso nichts vorzumachen. „Er sieht das Herz an“ – sagt uns
die Bibel. Auch unser Versagen, unsere Verwundbarkeit bleiben Gott nicht
verborgen. Das vor Gott zuzugeben erfordert oft Mut, aber ist Teil dieses neuen
Liedes, das wir Gott singen sollen. Und gerade jetzt in der Corona-Zeit wird
jeden Tag, jede Stunde deutlich, dass wir eben schwach und verwundbar sind,
dass wir uns auf viele Dinge nicht wirklich verlassen können. Aber es wird auch
jeden Tag deutlich, dass es auch viele Dinge gibt, die uns Hoffnung machen. Wir
sehen Menschen, die in der Corona-Krise Unglaubliches bewirken, wir merken, wie
wichtig uns der persönliche Kontakt ist, wir lernen Kleinigkeiten schätzen, an
die wir vor ein paar Monaten kaum gedacht hatten. Und es sind oft gerade die
Menschen oder Dinge, auf die uns auch die Bibel aufmerksam macht, Gottes Wort,
allein die 10 Gebote. Vielleicht ist die Corona-Krise auch eine Chance den
Glauben neu zu entdecken, zu erkennen, dass es gut ist, auf Gottes Weisungen zu
hören. Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Ja, dass wir auch
jetzt Wunder erkennen, die uns Hoffnung, die uns Mut geben und neue
Perspektiven öffnen, auch mit dem Traurigen dieser Zeit richtig umzugehen.
Dazu segne uns Gott!
Und sein Friede, der höher ist als alle menschliche Vernunft,
der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Dimitri
Schweitz, Pastor
Gebet:
Herr, unser Gott!
Danke für diesen Tag, an dem wir wieder Gottesdienst
feiern können, zwar stark eingeschränkt, aber doch hier in unserer Kirche. Danke
für die Menschen, mit denen wir feiern dürfen.
Leider können wir nicht singen, zumindest nicht so
kräftig, wie wir es vor Corana getan haben. Aber Du weißt, im Herzen ist unser
Gesang für Dich, unser Dank und unser Bitten.
So bitten wir Dich für alle, die uns heute fehlen und
die wir vermissen, dass sie behütet und gesegnet werden.
Wir bitten dich für alle, die gerade jetzt in Not sind
und deine Hilfe brauchen: Die von Corona betroffenen, die Kranken, die
Einsamen, die Verzweifelten. Lass sie deinen Beistand spüren.
Wir bitten dich für alle, die in Angst leben und unter
Gewalt und Verfolgung leiden, die Enttäuscht sind und ihr Interesse am Leben
verlieren. Zeige ihnen einen Ausweg.
Wir bitten für die Verstorbenen, um die wir trauern,
dass sie in deiner Ewigkeit geborgen sind. Tröste die Angehörigen und begleite
sie auf ihren Wegen.
Auf dein Erbarmen, Gott, sind wir angewiesen, allein
und gemeinsam. Hilf uns, dass wir uns dir anvertrauen, heute wie gestern und
morgen wie heute, unser Leben lang.
Darum bitten wir im Namen deines
Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus. Amen.